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"O schaurig
ist’s übers Moor zu gehen", das wusste schon Annette von Droste
Hülsoff (1797-1848). Und die jungen Autoren, die der
Computerspiel-Generation eigentlich näher sind, wissen es
wieder. Vierzehn Autoren haben sich zusammengefunden und weben
zum Thema "Sümpfe, Höhlen, dunkle Wälder" Geschichten. Timo
Bader und Jürgen Brandner haben sie zusammengefasst unter dem
Titel "Wildes Land" herausgegeben.
Wie bei
Annette von Droste-Hülsoff ist das "Wilde Land" alles andere als
heimelig. Es ist ein Ort, der den Menschen feindlich
gegenübertritt, ihnen den Zugang verwehrt. Diejenigen die sich
den Zugang erkämpfen, tun dies meist unter Lebensgefahr. Aber
gerade diese Herausforderung ist es, die von den Helden der
Geschichten angenommen wird.
Manchmal fängt
die Erzählung harmlos an. Fünf Freunde wollen einen Berg
besteigen, andere wollen eine Höhle erforschen. Wieder andere
stehen am Straßenrand, um einen Umzug anzusehen. Aber die
normale Wirklichkeit öffnet sich in eine unbekannte und nicht
mehr handhabbare andersartige Realität. Die Orientierung geht
verloren. In mehr als einem Sinn. Es ist eine Welt, in der
unnennbare Kräfte zu Hause sind, auch Dämonen, Drachen, Elfen.
Manchmal sind diese Kräfte (ob personalisiert oder nicht)
Freunde der Menschen, bzw. werden es wie beispielsweise ein
Troll in "Ein Troll auf Rügen" (von Jörg Olbrich), manchmal sind
sie feindlich wie in "Moordämonennacht" (von Jürgen Brandner).
Die Zeit der
Helden, die ohne Schwierigkeiten Heldentaten im Stil von drei
auf einen Streich begehen, scheint vorbei. So sind es
gelegentlich Kinder, die den richtigen Weg wissen ("Albenkind"
von Irmgard Fliedner – Grandke) oder es ist ein Trinker, der es
schafft, sich aus dem eigenen Sumpf herauszuarbeiten. Eine Elfe
tötet einen Drachen ("Die Prüfung" von Christine R. Förster).
Spannung
entsteht sozusagen von selbst. Eine Spannung, die sich noch
nicht einmal in jedem Fall um die äußere Handlung herum bewegt.
Ist es immer
"gut" zu handeln? Die Ambivalenz des Handelns wird in mehreren
Geschichten deutlich. So auch in "Das grüne Leuchten" (von
Marion C. Mainka), das nicht die geringste Ähnlichkeit mit
Romers-Film "Das kleine grüne Leuchten" hat, wie man vermuten
mag. Ohne es zu wollen, haben die Freunde eine gefährliche
Urkraft frei gesetzt.
Auch die Elfe
("Die Prüfung" von Christine R. Förster) empfindet nicht
unbedingt Stolz, Befriedigung, als sie die Prüfung, die darin
bestand, einen Drachen zu töten, der ihre Körpergröße um ein
Vielfaches überragte, erfolgreich durchgeführt hat.
Zu meinen
Favoriten gehört die Geschichte des Herausgebers Timo Bader. Er
versucht die Methode der Verfremdung, wie sie eigentlich im
Fantasy-Genre meines Wissens selten ist. Deutlich sagt er in
einer Einleitung zum "Fall der Jane J.", dass der Erzähler sich
um Distanz bemühe. Dass diese Distanz gelegentlich aufgegeben
wird, steht auf einem anderen Blatt und macht die Erzählung umso
sympathischer. Die Geschichte ist im Stil der Detektiv-Story
aufgebaut. Einzelheiten fügen sich am Schluss zusammen, lassen
ein schlüssiges Bild entstehen. Aber zeigt sich auch eine
Lösung?
"Schaurig
ist’s übers Moor zu gehen. Die Dünste drehen sich wie Phantome
..." Erinnern wir uns noch einmal an Annette von Droste Hülsoff.
Damals wie heute tauchen die Leser ab in eine andere Welt,
erleben das Fremde mit und lassen sich Schauer über den Rücken
rinnen. Für Leser, die es sich wünschen abzutauchen, ist die
Anthologie ein unbedingtes Muss. Vor allem, wenn sie bereit
sind, das Gut-Böse Schema hinter sich zu lassen und auf
differenzierte Töne zu hören.
Der Druck,
überhaupt das Layout, ist soweit ich sehe, ohne Fehl und Tadel.
Vielleicht hätten die Verantwortlichen allerdings die
Trennoption besser beobachten können. Prinzipiell finde ich eine
Unterbrechung der Texte durch Zeichnungen erfreulich. Allerdings
scheinen mir die Zeichnungen in dieser Anthologie leicht
gewöhnungsbedürftig. |